Verbrenner-Aus: So schaffte Norwegen seinen Umstieg ohne Verbot
94,5 Prozent aller Neuwagen in Norwegen sind elektrisch betrieben, in der EU sind es gerade einmal 15,8 Prozent. Das gelang nicht nur mit einer massiven Förderung, sondern auch durch eine verlässliche Planbarkeit für Käufer.
Norwegen: So gelang der (fast) komplette Umstieg auf E-Autos
Kurzfazit vorweg: Norwegen hat den Verbrenner-Ausstieg nicht per hartem Verbot erzwungen, sondern über konsequente Anreize („carrot & stick“) plus Infrastruktur. Ergebnis: 2024 waren 88,9 % aller Neuwagen reine E-Autos; der E-Anteil an allen zugelassenen Pkw lag Ende 2024 bei rund 28,6 % – Tendenz weiter steigend. Reuters
Die wichtigsten Hebel (seit den 1990ern schrittweise eingefĂĽhrt)
Steuern & Abgaben: Jahrzehntelang Befreiung von Kauf-/Importsteuer und 25 % MwSt. für BEVs; seit 2023 gilt MwSt. anteilig erst über 500.000 NOK Fahrzeugpreis, dazu eine gewichtbasierte Kaufsteuer für E-Autos (sanfte Gegenfinanzierung). Verbrenner werden über progressive Kaufsteuer (Gewicht/CO₂/NOx) verteuert („polluter pays“). Norsk elbilforening
Laufende Kosten: Früher teils keine/geringe Kfz-Jahressteuer für BEVs (später wieder angenähert). Firmenwagenvorteil: zeitweise 50 % niedrigerer geldwerter Vorteil (heute geringer, aber noch begünstigt). Norsk elbilforening
Mobilitätsvorteile:Maut, Fähren, Parken, Busspuren – BEVs zahl(t)en deutlich weniger; heute vielerorts gedeckelt auf max. 70 % der Verbrenner-Tarife (tolls) und max. 50 % auf Fähren; kostenlose Parkplätze wurden vielerorts reduziert. Kommunen können Busspuren regeln (z. B. nur mit Mitfahrer:innen). Norsk elbilforening
Öffentliche Beschaffung & Recht auf Laden: Seit 2022 ZEV-Pflicht bei Pkw in der Beschaffung, ab 2025 für Stadtbusse; „Laderecht“ für Mehrparteienhäuser erleichtert Wallboxen. Norsk elbilforening
Ladeinfrastruktur: Flächendeckende Schnellladeabdeckung auf Fernrouten; Ende 2024 rund 10.000 Schnellladepunkte (gleichzeitige Ladeplätze) und > 800.000 BEVs im Land. Norsk elbilforening
Planbarkeit: Parteienübergreifend konstante Linie seit Jahrzehnten – zentrale Erfolgsbedingung laut Verkehrs- & Branchenvertreter:innen. Reuters
Kritik & Nebenwirkungen
Staatsfinanzen:Ausfälle bei Umwelt-/Kfz-Steuern; laut OECD machten die „fehlenden“ Einnahmen zeitweise nahezu ein Drittel der Umweltsteuer-Erlöse aus – die Politik muss das Steuersystem neu ausbalancieren. OECD
Verteilungsgerechtigkeit: Frühphasen-Vorteile profitierten überdurchschnittlich urbanen, einkommensstärkeren Haushalten (leichter Zugang zu Heimladen, neue Fahrzeuge). Forschung zeigt soziale Schieflagen im Besitzmuster über 2005–2022. Nature
Winter & Tourismus:Kälte-Range & Ladezeit bleiben Praxis-Themen; Mietwagenfirmen halten noch teils Verbrenner für Tourist:innen vor. Reuters
Kurskorrekturen ab 2023 (und Ausblick)
Deckelung der MwSt.-Befreiung (nur bis 500.000 NOK) + Gewichtsabgabe fĂĽr BEVs schon umgesetzt. Norsk elbilforening
Geplante weitere Reduktionen: Regierung schlägt vor, die MwSt.-Freigrenze 2026 auf 300.000 NOK zu senken und ab 2027 die Befreiung ganz zu beenden; parallel höhere Verbrenner-Abgaben. (In Beratung/Haushalt – Ziel: dauerhafte, faire Finanzierung.) Reuters+1
Was andere Länder davon lernen können
Langfristiger Mix statt Zick-Zack: Breites Paket, über Jahre verlässlich – nicht nur Kaufprämien, sondern Steuersystem + Nutzungsvorteile + Infrastruktur. Reuters+1
Infrastruktur vorziehen: Schnelllade-Backbone und „Recht auf Laden“ schaffen Akzeptanz – gerade ohne Eigenheim. Norsk elbilforening
Steuerbasis neu ordnen: Einnahmeausfälle antizipieren (z. B. fahrleistungsbezogene Abgaben, stromtarifliche Lenkung), damit der Übergang fiskalisch tragfähig bleibt. OECD
Bottom line: Norwegen zeigt, dass Markt-Pull + Rahmen-Push schneller wirken als Verbotsdebatten – solange Politik verlässlich bleibt, Vorteile schrittweise angepasst werden und Ladeinfrastruktur sichtbar vorausfährt. Reuters+1
Quellen: Norsk elbilforening (Politik & MaĂźnahmen, Stand 2025), Reuters (Marktanteile 2024), OECD (Fiskalwirkungen), Forschung zu Verteilungseffekten.Nature+3Norsk elbilforening+3Reuters+3
Die ZDF Anstalt fasst es perfekt zusammen: „Der Markt ist weg, klingt aber besser als: Die Chinesen wollen unsere Produkte nicht mehr kaufen.“ (Peter Jelinek auf LinkedIn)
Wie ich an anderer Stelle schon festgestellt habe :
Norwegen konnte und kann sich die Kosten für alle diese Maßnahmen nur durch seine Einnahmen aus dem Verkauf fossiler Energieträger leisten.
Und das will ich gar nicht als Kritik an Norwegen verstanden wissen.